Sie sind Geschäftsführer eines Familienunternehmens, Ehemann und Vater eines Sohnes: Wie haben Sie die Coronakrise in der Zeit der strikten Beschränkungen persönlich erlebt?
Gerd Schachermayer: Ich hatte das Glück, dass es in meinem privaten Umfeld keine Krankheitsfälle gegeben hat. Daher war zumindest diese Sorge vorerst vom Tisch. Insgesamt war es eine sehr anstrengende Zeit. Einerseits hat sich – wie bei vielen – das Familienleben verändert: Auch unser Sohn hatte Fernunterricht und musste seinen Lernalltag neu strukturieren. Mit seinen elf Jahren konnte er das noch nicht ganz alleine bestreiten und wir Eltern unterstützten ihn, wo immer notwendig. Zusätzlich erlebten wir in der Firma eine Zeit der großen Unsicherheit. Beinahe täglich veränderten sich die Rahmenbedingungen und man musste rasch und möglichst umsichtig agieren. In solch einer Situation kreisen die Gedanken ständig um verschiedene, mögliche Szenarien. Es fehlte die Planungssicherheit und die ist auch bis heute nicht gegeben.
Es geht also darum, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn eine Situation so unbeständig ist. Auf welchen Grundlagen bauen Sie Ihre Entscheidungen auf und was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Gerd Schachermayer: Das war durchaus herausfordernd. Ich denke, man muss sich bewusst sein, dass es in einer solchen Ausnahmesituation kein Richtig oder Falsch gibt. Man entscheidet sich nach bestem Wissen und Gewissen für einen Weg und verfolgt diesen dann weiter. Das geschieht im Austausch mit den entsprechenden Fachleuten im Unternehmen. Bei Schachermayer haben wir ausgezeichnete Experten, die mit einem unglaublichen Einsatz dahinter waren, dass unser Betrieb weiterläuft und wir im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeiten bestmöglich ausschöpfen konnten. Eine große Stütze war hier auch meine Frau Alexandra, die uns als Anwältin in rechtlichen Fragen beraten hat.
Lassen Sie uns über die wirtschaftlichen Aspekte sprechen: Schachermayer ist als Großhändler ein Glied in der Lieferkette, die durch Schließungen, Einfuhrbeschränkungen etc. empfindlich gestört wurde. Welche Beeinträchtigungen wirkten sich am stärksten auf Schachermayer aus? Gab es Lieferschwierigkeiten?
Gerd Schachermayer: Für uns war es besonders wichtig, unsere Zentrale in Linz immer am Laufen zu halten. In der Unternehmenszentrale fließt alles zusammen: IT, Logistik und Versand, Einkauf, der Vertrieb mit den Fachabteilungen, die Unternehmenskommunikation, die Buchhaltung und das Personalwesen. Oberste Priorität hatte daher, hier arbeitsfähig zu bleiben. Das haben wir geschafft – wir waren immer lieferfähig und erreichbar. Auf den Gesamtkonzern bezogen haben uns die Grenzbeschränkungen und der generelle Lockdown natürlich getroffen. In einzelnen Ländern, wie beispielsweise Italien, gab es teilweise einen kompletten Stillstand. Sehr schwierig war und ist es im Investitionsgüterbereich bei den Großmaschinen. Das Investitionsinteresse unserer Kunden hat erwartungsgemäß in den letzten Wochen nachgelassen und erst die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich dies weiterentwickelt.
Der stationäre Betrieb war durch die Schließung aller Schauräume komplett lahmgelegt. Wie verlief die Kundenbetreuung und -beratung in dieser Zeit? Gerd Schachermayer: Wir bieten mit unserem Partnerportal bereits seit Jahren eine komfortable Online-Bestellmöglichkeit mit vielen nützlichen Zusatzfunktionen. Dieser digitale Vorsprung ist uns heute sehr zugute gekommen. Über das Partnerportal waren wir in den letzten Monaten stets mit unseren Kunden eng verbunden. Die täglichen Bestellungen konnten wir auf diese Weise schnell abwickeln. Wichtig war auch die Erreichbarkeit über E-Mail und Telefon. Wenn die Zeiten so unvorhersehbar sind, ist niemand bereit, lange auf die Bearbeitung seiner Anfragen oder Bestellungen zu warten. Unsere Mitarbeiter haben hier wirklich herausragend agiert.
Wie schlug sich die Coronakrise in den Umsatzzahlen nieder?
Gerd Schachermayer: Das lässt sich aufgrund der Breite unseres Sortiments schwer beantworten. Wir haben Bereiche, wo wir sehr gut durch die Krise gekommen sind, beispielsweise im Servicebereich der Großmaschinen oder bei den vielen Gewerbebetrieben. Dann wiederum gab es Kunden, die ihre Jahresurlaube vorgezogen haben und deshalb in dieser Zeit wenig bei uns bestellt haben. Aber wir erlebten auch Hamsterkäufe kurz vor der „Schließung“ und Nachholkäufe danach. Genau wird man alle diese Effekte erst später bewerten können. Es wurden zahlreiche Maßnahmen im Unternehmen umgesetzt wie beispielsweise Hygienebestimmungen, vorübergehende Arbeitszeitregelungen etc.
Wie beurteilen Sie diese rückblickend?
Gerd Schachermayer: Wir haben während der ganzen Zeit eine sehr enge Abstimmung mit unserem Betriebsrat gepflegt, ihn ständig über die aktuelle Situation informiert und ihn in die wichtigen Entscheidungen miteingebunden. Diese enge Abstimmung war für mich sehr wertvoll.
Wie geht es weiter? Wie blicken Sie auf die nächsten Monate – mit Sorge oder Zuversicht?
Gerd Schachermayer: Wie bereits erwähnt bleibt die Lage unvorhersehbar. Zum jetzigen Zeitpunkt muss man in Szenarien denken und auf alle Eventualitäten möglichst gut vorbereitet sein. Ich bin mir sicher, dass wir als Familienunternehmen die besten Voraussetzungen haben, diese Zeit gut zu überstehen. Vor allem, da unser Mitarbeiterteam gerade in den letzten Monaten bewiesen hat, wie schnell und flexibel wir auf Herausforderungen reagieren können. Wird die Coronakrise auch ein Wendepunkt sein? Wird es bei Schachermayer zu Veränderungen kommen, die nachhaltig umgesetzt werden? Gerd Schachermayer: Es gibt in jedem Unternehmen Entwicklungen, die früher oder später eintreten und manche sind bereits jetzt absehbar. Diese Punkte in Angriff zu nehmen, schiebt man oft aus Gründen der Bequemlichkeit oder aus Angst vor dem Risiko vor sich her. Ich denke, dass die aktuelle Situation der richtige Zeitpunkt ist, um sich mit solchen Entwicklungen zu beschäftigen und daraus Maßnahmen abzuleiten.
Und aus gesellschaftlicher Sicht: Glauben Sie an einen durch Corona initiierten Wandel, der von einigen Personen prophezeit und teilweise sogar gefordert wird?
Gerd Schachermayer: Was für Unternehmen gilt, ist aus meiner Sicht auch im gesellschaftlichen Umfeld gültig. Es ist an der Zeit, längst überfällige Maßnahmen endlich umzusetzen, damit wir auch für die nächste Krise gerüstet sind. Im privaten Bereich hat man gesehen, dass die Schulen mit dem Thema eLearning teilweise überfordert waren. Ebenso großen Nachholbedarf gibt es in Unternehmen hinsichtlich der Nutzung von digitalen Möglichkeiten. Auch bei der flexiblen Gestaltung und Abrechnung von Arbeitszeiten (Stichwort Kurzarbeit) haben wir noch vieles zu verbessern. Am offensichtlichsten war aber ein komplettes Fehlen eines abgestimmten Vorgehens der einzelnen EU-Länder untereinander. Ein gegenseitiges Abstimmen, Beschlüsse im Einklang und eine gemeinsame, länderübergreifende Umsetzung hätten vieles erleichtert.
Was nehmen Sie für sich persönlich aus der Coronakrise mit?
Gerd Schachermayer: Es ist wichtig, dass man sich in unsicheren Zeiten seine Kräfte gut einteilt, gerade, wenn nicht absehbar ist, wie lange eine Krise andauert.