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Die Frankfurter Küche

Die Frankfurter Küche im Museum of Modern Art, New York. © Jonathan Savoie - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19288410

#IMPULS | Margarete Schütte-Lihotzky wird oftmals als die Mutter der Einbauküche bezeichnet. Zum 20. Todestag der österreichischen Architektin lohnt es sich, ihr Schaffen abermals zu betrachten.

Lihotzky studierte von 1915 bis 1919 an der k.k. Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst Wien), als eine der ersten Frauen, Architektur. Ihre Karriere startete als sie 1917 an einem Wettbewerb für "Arbeiterwohnungen" teilnahm, wo sie erstmals auf das schon damals aktuelle Thema des sozialen Bauens traf. Dass sie dieses Thema noch lange begleiten würde, war ihr damals noch nicht bewusst. Sie selbst sagte bei einer Feierlichkeit zu ihrem 100. Geburtstag 1997, dass 1916 niemand glaubte, dass je eine Frau beauftragt werde, ein Haus zu errichten ­­­­– nicht einmal sie selbst.­­­

Frankfurter Küche

1926 engagierte Ernst May, damals Leiter des Hochbauamtes in Frankfurt, Lihotzky an die Typisierungsabteilung, wo der neue Wohnungsbau mit der "Frankfurter Küche" entwickelt wurde. Dabei handelte es sich um alles andere als ein Zufallsprodukt. Als Grundlage für das zukunftsweisende Design war der Taylorismus, dessen Ziel die Optimierung von Arbeitsabläufen ist. Notwendige Handgriffe wurden dabei via Stoppuhr gemessen und Abläufe bestimmt und optimiert. Christine Frederick übertrug dieses System bereits 1912 auf Arbeitsabläufe in der Küche und veröffentlichte ihre Erkenntnisse im darauffolgenden Jahr als Buch. Lihotzky ließ sich von den Gedanken der Arbeitsoptimierung inspirieren und gestaltete den Küchenarbeitsplatz nach ergonomischen und praktischen Ewägungen.

Form follows Function

Bis in die 1920er Jahre waren es Einzelmöbel, die das Küchendesign prägten. Die Frankfurter Küche hatte zum Ziel, die gesamte Funktionalität der gewohnten Küche auf kleinstem Raum zu konzentrieren. Typ 1 des Entwurfs wurde auf knapp 6,5 m2 umgesetzt. Aus heutiger Sicht würde man das formale Design wahrscheinlich als "smart" bezeichnen, denn jedes kleinste Detail wurde durchdacht. Da Wissenschaftlern der Universität Frankfurt herausfanden, dass Fliegen blau-grüne Flächen meiden würden, wurde genau dieser Farbton für die sichtbaren Holzfronten gewählt. Die Naturholz-Arbeitsplatte am Fenster war so niedrig montiert, dass auf dem Hocker sitzend gearbeitet werden konnte. Eine Aussparung mit darunter angebrachter Schütte diente als zwischenzeitlicher Müllbehälter. Die Spüle verfügte über ein Doppelbecken und hatte einen Ständer über dem Abtropfbecken, in dem flaches Geschirr getrocknet wurde. Die charakteristischen Aluminium-Schütten der Firma Harrer wurden auch noch Jahre nachdem keine der Küchen mehr vom Fließband lief, noch produziert.

Eine Küche um 500 Mark

Ernst May schuf zu dieser Zeit viele Siedlugen wie das "Neue Frankfurt", was dazu führte, dass etwa 10.000 Wohnungen mit einer solchen Küche ausgestattet wurden. Aus Kostengründen wurde die Frankfurter Küche als Modulsystem konzipiert und konnte so in großer Auflage in Fabriken produziert werden. Die anfänglichen Produktionskosten betrugen ca. 500 Mark. Im Jahr 2005 wurde eine dieser Küchen bei einer Auktion für 34.200 Euro ersteigert. Die Küchen sind heute in einigen Museen zu besichtigen, unter anderem im MoMA in New York oder in einer rekonstruierten Ausführung im MAK in Wien. Die einzig öffentlich zugängliche Küche im ursprünglichen Raum ist im Ernst-May-Haus, Im Burgfeld 136 in Frankfurt-Römerstadt zu sehen.

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